Jolie Fox

TRUST ME ~ Verloren in dir


Klappentext:

Beruflich läuft alles perfekt: Die 26-jährige Eve Dumont hat sich mit ihrem eigenen Spa- & Wellnesshotel am tropischen Strand von Mahé Island einen Traum erfüllt. Aber ihr Privatleben liegt nach einem schweren Schicksalsschlag in tausend Scherben. Seitdem hält sie ihr Herz und ihre Sehnsüchte unter Verschluss. Bis zu dem Tag, an dem der charismatische Pilot Nicolas Leblanc in ihr Leben stürmt – und ihren mühsam errichteten Schutzwall zum Einstürzen bringt. Doch gerade als Eve ihre aufkeimende Liebe zulassen will, reißt Nicolas’ Geständnis die alten Wunden ihrer Vergangenheit wieder auf.


Leseprobe:

Kapitel 6 

 

Zum dreimillionsten Mal wanderten ihre Augen zum Eingang der offenen Lobby, doch von Nicolas war weit und breit nichts zu sehen. Eve stand hinter der Rezeption und sah immer wieder verstohlen auf die Uhr. Seine Maschine musste Verspätung haben. Obwohl es mittlerweile das fünfte Wochenende war, das Nicolas auf Mahé Island verbrachte, freute sie sich unbändig, ihn wiederzusehen. Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass die Schmetterlinge in ihrem Bauch sogar noch zugenommen hatten. 

Ihre Gedanken wurden von einem fröhlich hupenden Reisebus unterbrochen, und kurz darauf hatte sie alle Hände voll zu tun, um die neu angekommenen Gäste einzuchecken. Zwanzig Minuten später überreichte sie den letzten Zimmerschlüssel, atmete erleichtert auf und setzte sich an den Schreibtisch. Währenddessen plapperte Chloé unverdrossen auf sie ein, doch sie hörte ihr nur mit halbem Ohr zu, weil sie immer wieder auf ihre Armbanduhr sah. 

»Hallo, Erde an Mars … Hörst du mir überhaupt zu?« 

»Ähm, natürlich«, stotterte Eve und sah verlegen von den Buchungsanfragen hoch, mit denen sie gerade beschäftigt war. 

»Bist du dir da sicher?«, fragte Chloé mit hochgezogenen Augenbrauen. 

»Ja doch.« 

»Na dann – schreib den Scheck aus.« 

»Äh … wie bitte?« 

Mit einem spitzbübischen Grinsen schlenderte Chloé auf sie zu und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Schreibtischkante. »Süße, ich habe dich grad eben um ein Darlehen von satten achtzigtausend Rupien gebeten, und du hast, ohne mit der Wimper zu zucken, Ja gesagt. Darum kann ich mir schon denken, was oder vielmehr wer dich so ablenkt.« 

»Mich lenkt niemand ab.« 

»Ach was?«, konterte Chloé. »Na gut, dann interessiert dich sicher auch nicht, wer an diesem wunderschönen Freitagabend gerade durch das Eingangsportal spaziert kommt, nicht wahr?« 

Verwundert sah Eve hoch und bemerkte, dass sämtliche weiblichen Gäste zum Eingang sahen. Neugierig linste sie über die Schulter ihrer Freundin, dann zog auch sie scharf die Luft ein, als sie Nicolas erkannte, was ihr ein erfreutes Strahlen ins Gesicht zauberte. 

»Wusst ich’s doch!«, triumphierte Chloé. 

Ertappt schlug sie die Augen nieder und sah auf ihre Schuhspitzen. Unterdessen lehnte sich Nicolas an den Tresen, begrüßte zuerst Chloé und schenkte danach Eve ein warmes Lächeln. Als Chloé sich einem anderen ankommenden Gast zuwandte, verabredeten sie sich leise für den Abend zum Joggen. 

 

**** 


Im lauen Abendwind des ausklingenden Tages saßen sie nach dem Laufen und Schwimmen auf der Veranda von Eves Strandhaus. Sie gewöhnte sich immer mehr an die gemütlichen Abendstunden, an denen sie über den Tag redeten oder an denen sie einträchtig schwiegen. Sie spürten beide, dass sie weit mehr als nur die Liebe zum Sport teilten. Wie in einer stillen Übereinkunft sprachen jedoch weder sie noch Nicolas über ihr privates Leben jenseits der kurzen Wochenenden, die er auf der Insel verbrachte. 

Bis jetzt wusste sie nur, dass er in einem kleinen Loft in Paris wohnte, während der Woche Kurzstrecken flog und in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne Motorrad fuhr. Mehr wagte sie nicht zu fragen, denn das würde bedeuten, ihm auch ihre Vergangenheit erzählen zu müssen, von der nur wenige Menschen wussten. Genau genommen nur Chloé und Tiffany. Grandmère hatte die schicksalhafte Tragödie ihrer Enkelin mit ins Grab genommen. 

Die übrigen Inselbewohner glaubten, dass sie damals wegen ihres Studiums die Insel verlassen und nach Paris gegangen war. Doch die Wahrheit war eine andere. Vor zwei Wochen hatte Nicolas einen Vorstoß gewagt und sie gefragt, wie ihre Lebensplanung aussehe und ob sie sich einmal Kinder wünsche. Als er allerdings sah, wie aus ihrem Gesicht alle Farbe verschwand, zeigte er genug Feingefühl und wechselte hastig das Thema. 

Seit diesem Abend redeten sie nicht mehr über die Zukunft. Dafür lachten sie viel, tauschten Kindheitserinnerungen aus und erzählten sich gegenseitig ihre beruflichen Erlebnisse. Im Moment genossen sie schweigend den Blick in den sternenklaren Nachthimmel. Filou lag ausgestreckt unter dem Tisch und schnarchte. Nicolas saß im schwachen Licht der Kerze im Korbsessel, die nackten Füße lässig auf dem Geländer ausgestreckt. 

Vorhin, beim gemeinsamen Kochen in der Küche, hatten sie sich auf harmonische Weise ergänzt. Ganz selbstverständlich war Nicolas ihr zur Hand gegangen, indem er Filous Wasserschüssel auffüllte, den Fisch gekonnt ausnahm, Gemüse schnippelte und den Tisch auf der Veranda deckte. Entspannt nippte Eve an ihrem Wein und musterte Nicolas dabei verstohlen. Dank Filous übermütiger Spritzattacke vorhin am Strand hing sein nasses T-Shirt auf der Leine, sodass er nur ausgefranste Jeansshorts trug. 

Die laue Meeresbrise spielte mit den dunklen Haarlöckchen auf seiner nackten Brust, die sich nach unten hin verjüngten, und sie konnte die Konturen seiner gut definierten Bauchmuskeln darunter erkennen. Dieser Mann brachte sie unzweifelhaft mehr aus der Fassung, als ihr guttat – egal, ob in gestärkter Uniform oder, so wie jetzt, halb nackt. Sie schluckte nervös. In diesem Moment schaute Nicolas hoch und sah ihr direkt in die Augen. 

»Wenn du mich weiterhin so intensiv betrachtest, ma cœur, werde ich nicht mehr lange imstande sein, meine Hände bei mir zu behalten.« 

Seine Stimme klang eine Spur heiserer als sonst, während sein Blick über die sanften Rundungen glitt, die sich unter ihrem ausgeblichenen Baumwollhemd abzeichneten. Es überlief sie heiß. Nicolas’ Tonfall und seine Blicke sagten ihr, dass er wusste, was wahre Leidenschaft bedeutete, und dass er sie wollte. Aber war sie schon bereit für diesen Schritt? Bereit, aus dem dunklen Schatten ihrer Vergangenheit zu treten und einen Neuanfang zu wagen? 

Als sie ein sehnsuchtsvolles Ziehen in ihrem Inneren spürte, wandte sie sich verunsichert ab, aber Nicolas ließ das nicht zu. Vorsichtig legte er eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. 

»Eve, ich weiß nicht, wer oder was dich in der Vergangenheit so verletzt hat. Du musst darüber auch nicht reden, wenn du nicht willst. Aber ich weiß, dass das hier zwischen uns etwas Besonderes ist. Und wenn du mich lässt, möchte ich gerne an deinem Leben teilhaben.« 

»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Nicolas. Ich bin auch gerne in deiner Nähe … aber deine Zeit auf der Insel ist nur begrenzt, und für eine kurze Sommeraffäre bin ich nicht geeignet.« 

»Ich suche keine Affäre, für solche Oberflächlichkeiten bin ich zu alt«, beschied er ihr ruhig. Sein ernstes Gesicht war nur noch Zentimeter von ihrem entfernt und sein warmer Atem streifte ihren Mund. Zitternd hielt sie die Luft an und starrte ihn mit großen Augen an. »Lass es uns ausprobieren, ma cœur. Wenn mich Air Parisienne nach einem Jahr von hier abzieht, werden wir weitersehen. Es gibt für alles eine Lösung.« 

Zweifelnd sah sie ihn an. Gleichzeitig spürte sie das mittlerweile vertraute Kribbeln auf ihrer gesamten Haut, wie immer, wenn er in ihrer Nähe war – und jetzt war er mehr als nah. »Warum sagst du ma cœur zu mir?«, fragte sie leise, um das Thema auf unverfängliches Terrain zu lenken. 

»Weil du das für mich bist, oder magst du es nicht, wenn ich dich mein Herz nenne?« 

»Doch … doch, es gefällt mir«, stimmte sie mit einem scheuen Lächeln zu. »Es weckt Erinnerungen, Grandmère hat mich auch immer so genannt.« 

Nicolas streckte seinen Arm aus und berührte mit den Fingerspitzen ihre Wange. »Das freut mich, ich glaube, ich hätte deine Großmutter gemocht. Sie muss eine kluge Frau gewesen sein.« 

»Du hättest sie mit deinem Charme mit Sicherheit um den kleinen Finger gewickelt.« 

»Interessant zu hören, dass du mich für charmant hältst.« 

»Bilde dir nur nichts darauf ein, das war nur so eine dahingesagte Metapher. Ich bin immun gegen deinen Charme.« 

Amüsiert zog er eine Augenbraue in die Höhe. »Ich frage mich, wen du davon überzeugen willst, ma cœur – dich oder mich?« 

Bevor Eve antworten konnte, hauchte er ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. Als sie hörbar die Luft einsog, lehnte er sich lächelnd zurück und schenkte ihnen Wein nach, während sie betroffen aufs nächtliche Meer hinausstarrte. Es war, als ob er ihre geheimsten Gedanken kennen würde. Sie konnte nicht leugnen, dass sie Nicolas mehr mochte, als ihr lieb war. Dennoch hatte sie entsetzliche Angst, sich an ihn zu verlieren. 

Wenn das Jahr seiner Seychellen-Langstrecke zu Ende ging, würde er wieder zurück nach Paris fliegen und sie mit einem gebrochenen Herzen hier zurücklassen. Es war nicht so, dass sie noch Jungfrau wäre. Grandmère hatte sie glücklicherweise tolerant erzogen. Allerdings hatte ihr erster und bisher einziger Freund ihr vor drei Jahren das Schlimmste angetan, was man einer Frau antun konnte. Seitdem vertraute sie keinem Mann mehr. 

Noch einmal würde sie so eine Tragödie nicht überstehen, das wusste sie mit unumstößlicher Gewissheit. Für sie war Liebe nicht teilbar. Liebe war magisch und bedingungslos. Ein Gefühl, das es nur zwischen einer einzigen Frau und einem einzigen Mann geben konnte, daran glaubte sie, trotz ihres Traumas, noch immer ganz fest. Gleichzeitig schwante ihr dumpf, dass ihr törichtes Herz nicht auf ihren Verstand hören wollte und sie Nicolas nicht aus ihren Gedanken und Träumen verbannen konnte. 

»Übrigens habe ich vor, morgen zur Anse-Soleil-Bucht rauszufahren, um ein bisschen zu schnorcheln«, unterbrach Nicolas ihre grüblerischen Gedanken. »Hast du Lust, mitzukommen?« 

Ihr Herz reagierte schneller als ihr Verstand, wie sie zu ihrem Entsetzen feststellen musste, als die Antwort freudig aus ihrem Mund heraussprudelte: »Gerne, aber ich kann erst ab zwei, vormittags muss ich zum Einkaufen auf den Wochenmarkt.« 

»Prima, dann treffen wir uns um zwei auf dem Parkplatz.« 

Er nickte ihr mit einem Augenzwinkern zu, und Eve griff nach ihrem Weinglas und trank einen Schluck, während sie sich in ihrem Sessel zurücklehnte und die Beine ausstreckte. Das erotische Knistern zwischen ihnen war dank Nicolas’ lockerer Art einer entspannten Leichtigkeit gewichen. Er verstand es geschickt, ihre nicht mehr zu leugnende Leidenschaft füreinander einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Es schien ihr, als wollte er ihr bewusst die Zeit geben, die sie brauchte, um wieder Vertrauen zu fassen. 

Obwohl sie ihm bis jetzt noch nichts von den schrecklichen Vorkommnissen ihrer Vergangenheit erzählt hatte, schien er zu ahnen, dass sie noch nicht bereit war, zu ihren Gefühlen für ihn zu stehen, die sich immer heftiger in ihr zu regen begannen. Für die Einfühlsamkeit war sie ihm dankbar. Sie brauchte dieses vorsichtige Annähern, aus dem langsam Vertrauen wuchs, bis sie der werbenden Glut seiner Leidenschaft nachgeben konnte. 

Eine warme Brise fuhr durch ihr offenes Haar. Nicolas hob eine Hand und schlang sich sanft eine wehende Locke um seine Finger. Hinter ihnen sangen die Wildvögel ihr Nachtkonzert in den Bäumen des Regenwaldes, und am Strand rollten die Wellen in einem wiegenden Rhythmus ans Ufer. Einträchtig schwiegen sie und lauschten den Geräuschen der Nacht.